DEFS185

XXX Woche im Jahreskreis – Sonntag

Die Zeit, die Segel zu setzen

Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen, die sehnsüchtig auf sein Erscheinen warten. Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten; alle haben mich im Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Heiden sie hören; und so wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen. Der Herr wird mich allem Bösen entreißen, er wird mich retten und in sein himmlisches Reich führen. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen. 2Tim 4,6-8,16-18

Als Paulus diesen Brief an Timotheus schrieb, war er in Rom und um sechzig Jahre alt. Die Worte der Stelle von heute, die einem geistlichen Vermächtnis gleich sind, wurden trotzdem nicht vom Alter empfohlen, sondern da er einen Prozess hatte, der mit einem Todesurteil enden würde. Im Gericht verteidigte er sich aber nicht; er benutzte jene letzte Gelegenheit als die letzte Chance, um noch einmal das Evangelium Christi zu verkündigen: „Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Heiden sie hören“. In seinen Worten gibt es keine Traurigkeit dafür, dass er sein irdisches Leben verlassen muss; es gibt aber die Freude des Athleten, der bewusst ist, dass er „den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten“ hat. Paulus vergleicht sein Leben einem dauernden Opfer, der jetzt sich durch das Ausgießen seines „geopferten“ Bluts erfüllt, wie bei den dem Opfer geweihten Menschen. Sein Herzensfriede ist in dieser Stelle fesselnd; er entsteht aus dem Bewusstsein, dass er „den guten Kampf“ des Lebens an der richtigen Seite gekämpft hat. Man läuft tatsächlich die Gefahr, an der falschen Seite zu kämpfen, das heißt, um bedeutungslosen Zwecken zu folgen. Vor allem fühlt man aber die Freude von Paulus, da er die Treue gehalten hat, denn die große Gefahr, die wir alle im Kampf des Leben laufen, ist, den Glauben endlich zu verlieren. Da er dagegen die Treue gehalten hat, bekommt er vom Herrn den „Kranz der Gerechtigkeit“, wie die Athleten, die Wettkämpfe gewinnen, den Lorbeerkranz bekommen. Die letzten im Glauben gelebten Jahre nach einem der Realisierung des Plans des Herrn gewidmeten Leben können sehr gut sein. Der lateinische Schriftsteller Plutarch beschreibt dieses Gefühl und schreibt: „Es ist süß, mit ehrlichem Geist wie in Begleitung eines guten Freunds alt zu werden“. Das ist mir immer ein an Bildern reicher Gedanke gewesen: Dem Frieden des Sonnenuntergangs meiner Toskana, wenn die Sonne hinter die Hügel einschlafen geht; oder der Rückkehr nach Hause an einem Winterabend, müde für die Arbeit, wenn Anna Maria mit einem guten heißen Abendessen auf dem Tisch auf mich wartet.

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